Der Blog, der Kultur erlebbar macht.

Most oder Apfelsaft

Wie ich zur Einladung zum Rüttener Mosttag kam

Ich war dem Aufruf zum Landskron Arbeitsmorgen von Lukas Merkelback gefolgt, weil ich sowohl die Burg und die Arbeit von Lukas, die ich beim Neophyteneinsatz in Biel-Benken kennen gelernt habe, mag. In der Pause beim Heuen auf einer Wiese unterhalb der Landskron hörte ich von einem Mosttag in Reinach.

Das Thema Mosten versetzte mich sofort in meine Kindheit zurück, an den Tag bei meiner Oma, an dem ein Großteil der Familie zusammenkam, um gemeinsam Apfelsaft für den Winter zu produzieren. Frischer Apfelsaft ist etwas ganz Besonderes. Bei meiner Oma gab es auch noch die Möglichkeit, den Saft im Keller selbst abzukochen. Nach einem sehr arbeitsreichen Tag nahm jeder dann den Apfelsaft für den Winter mit. Die kostbaren Flaschen wurden bei uns im Keller eingelagert und leer getrunken für das nächste Jahr vorbereitet. So war ich Feuer und Flamme. Kurz gesagt: Ich wollte unbedingt dabei sein.

Dann kam der Samstag, der 20. September 2025. Ich machte mich auf den Weg, und dachte darüber nach, dass ich außer dem Lukas und dem Florian niemanden kannte. Ich weiß nicht, welche Gedanken Ihnen, lieber Leser, liebe Leserin, in den Sinn kommen, wenn Sie eine Gruppe von Menschen treffen, die Sie nicht kennen. Viele Menschen sind da vielleicht eher skeptisch und vermeiden solche Situationen. Vielleicht denken sie: „Es ist ja schon genug, wenn man ein Studium, einen Kurs oder einen neuen Job beginnt. Da muss man nicht auch noch im Privaten solche Situationen heraufbeschwören.“

Obwohl ich es gewohnt bin, in meiner Lehr- und Vortragstätigkeit immer wieder viele neue Leute zu treffen, als Mentor unterwegs zu sein und regelmäßig tiefe Gespräche mit Menschen zu führen, mit denen ich zum ersten Mal spreche, bin ich immer angespannt. Das ist an manchen Tagen einfacher als an anderen. Die Neugier, welche Begegnungen ich erleben werde, ist das Gefühl, dem ich dann aber immer mehr Platz gebe.

Der Mosttag ist aber irgendwie anders. Es geht um das Treffen von Menschen, die zusammenkommen, ihre Hände dazu verwenden wollen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen: die Äpfel einzusammeln und alle Schritte bis zum Apfelmost zu bewältigen. Ein einfaches, klares und sehr gutes Ziel. Da muss man sich nicht groß kennen.

Hinter diesem Mosttag gibt es noch ein größeres Ziel, das nicht so offensichtliche Ziel: der Förderung von Hochstamm Bäumen, da sie für bestimmte Tiere lebenswichtig sind. Die Äpfel sind dabei ein Zusatznutzen.

Für mich brachte dieser Tag allerdings viel mehr: die Möglichkeit,

  • Menschen zu treffen, die gleichgesinnt sind, quer über Generationen, Berufe und Hintergründe hinweg, die ich nur in diesem Rahmen und in dieser Mischung finden kann.
  • Neues zu lernen, denn viele Teilnehmer:Innen kennen sich mit Kräutern und deren Heilkräften aus, mit Tieren und den ganzheitlichen Konsequenzen für unseren Lebensbereich, wenn diese verschwinden und neue zuwandern.
  • eine körperliche Erfahrung zu machen, die sich als Gefühl der Zugehörigkeit einfach spüren lässt.

Das Erlebnis ist einzigartig, und in seiner Art leider selten geworden.

Wenn man darüber nachdenkt, führt dies zur Erkenntnis, dass wir nur zusammen etwas erreichen können, und im weiteren Schritt, dass das Menschsein eigentlich dieses Zusammen sein bedeutet. Zusammen Freude empfinden, den Austausch genießen, ein Essen zum Abschluss und ein Kartenspiel am Mittagstisch.

Mein Dank geht an Lukas, Fabio und den Thomas, ohne die es den Rüttener Mosttag nicht geben würde. Dies ist gleichzeitig auch der Beweis, dass einzelne Personen mit ihren Entscheidungen, Absichten und Handlungen einen Unterschied machen für das Ganze.

An so einem Tag spürt man, dass wir alle in einem Boot sitzen: die Menschen, die Tiere, die Natur. Alles ist verbunden. Alles hat eine Auswirkung auf die anderen. Wir sind nicht isoliert.

Ich wünsche mir, dass jeder in seinem Leben dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit und gleichzeitig die Besonderheit seines eigenen Wesens erfahren und im ganzen Körper spüren kann, sodass die Teilhabe an solchen Möglichkeiten einen Platz im Leben jedes Einzelnen bekommt.

Dankeschön für die Einladung!

Übrigens:
Apfelsaft darf sich Apfelsaft nennen, wenn er nur bis zu 10% anderes Obst wie Birnen oder Quitten enthält. Viele Bauern möchten den Zusatzaufwand der Messung nicht machen, was ich total verstehe, und nennen ihn deshalb Apfelmost.

LINKS

MerNatur Naturschutzbiologie GmbH

Den Mosttag gibt es seit 17 Jahren

Lebensraum Rüttenen

Trinationales Projekt Birdlife

Like this article?